Für die einen hat diese Art der schlechten Stimmung nicht viel mit einer Depression zu tun, für andere ist der Begriff "Herbstblues" nur ein Ausdruck für die alltägliche "Grummeligkeit", wie die Zeit berichtete.
Tatsächlich kennt auch die Medizin die "saisonal abhängige Depression" (Seasonal affective disorder (SAD)). "Der Herbstblues ist keineswegs ein Mythos", sagt Psychiater Dietmar Winkler, Professor an der Universität Wien.
Herbstblues in den 1980er-Jahren entdeckt
Nachdem eine Patientin des amerikanischen Psychiaters Norman Rosenthal aus dem winterlichen Jamaika-Urlaub kam, berichtete sie, dass ihre Depressionen schon nach wenigen Tagen in der karibischen Sonne verschwunden waren. Anschließend fand er über eine Zeitungsannonce heraus, dass knapp 30 Männer und Frauen jeden Winter Ähnliches durchlebten: Sobald die Tage kürzer wurden und das Wetter schlechter, wollten sie nur noch schlafen, konnten sich schlecht konzentrieren und verspürten ständig Appetit auf Süßes. Mit den ersten warmen Frühlingstagen legte sich alles wieder.
Zu wenig Licht
Eine Befragung von knapp 1.000 Österreichern und Österreicherinnen durch die Forschungsgruppe des Psychiaters Dietmar Winkler ergab, dass nur einer von 50 Menschen an einer Winterdepression leidet. Der Herbstblues (die leichtere Form) hingegen, betrifft jeden Sechsten (European Psychiatry: Pjrek et al., 2016).
Das Problem ist, dass wir an den kürzer werdenden Herbsttagen zu wenig Licht abbekommen. Unsere innere Uhr, die dem Körper signalisiert, wann Tag und wann Nacht ist, muss sich durch die abnehmende Helligkeit umstellen. Sobald die Fotorezeptoren auf der Netzhaut im Auge Tageslicht registrieren, werden durch das Gehirn Befehle an die Zirbeldrüse geschickt, die in der Nacht das Schlafhormon Melatonin produziert. Durch den Befehl wird signalisiert, dass bei Tag kein Melatonin mehr ausgeschüttet werden soll. Im Herbst und Winter ist es aber noch dunkel, wenn wir schon wach sind. Die Zirbeldrüse produziert weiter Melatonin. Die Folge: Wir kommen morgens oft schlechter aus dem Bett, sind müde, uns fehlt Energie und Antrieb. Bei Patienten mit einer Winterdepression ist dieser Effekt sehr deutlich messbar: In ihrem Blut lässt sich noch weit in den Tag hinein Melatonin nachweisen (JAMA Psychiatry: Wehr et al., 2001).
Der Botenstoffhaushalt des Gehirns könnte eine weitere mögliche Erklärung für die schlechte Stimmung in Herbst und Winter sein. Die Produktion des als Glückshormon bekannten Serotonins wird durch Sonnenlicht messbar angekurbelt – in der dunklen Jahreszeit wird davon deutlich weniger ausgeschüttet (The Lancet: Lambert et al., 2002). Wissenschaftlerinnen haben auch jahreszeitliche Schwankungen im Stoffwechsel der Botenstoffe Dopamin entdeckt, wichtig für Motivation und Antrieb, und Noradrenalin, das Wachheit und Aufmerksamkeit steuert (Brain Imaging in Behavioral Neuroscience: Praschak-Rieder et al., 2012).
Tipps gegen den Herbstblues
Jeden Herbst oder Winter nach Jamaika zu flüchten, ist sicher eine Möglichkeit. Aber auch in Deutschland ist man dem Stimmungstief keineswegs hilflos ausgeliefert: Kaffee zum Wachmachen und "der alte Ratschlag: rausgehen und bewegen", rät Winkler. Das kurbelt die Produktion des Glückshormons Serotonin an. Draußen an der frischen Luft lässt sich außerdem womöglich ein bisschen Sonnenlicht tanken.
Mit einer Tageslichtlampe, die ein fast unangenehm helles, sehr weißes Licht mit hohem Blauanteil abgibt, kann man künstlich nachhelfen. "Eine halbe Stunde am Morgen vor der aufgestellten Tageslichtlampe, beim Frühstücken, Lesen oder am Laptop arbeiten, reicht meist schon aus, um die innere Uhr wieder ins Gleichgewicht zu bringen", sagt der Psychiater Dietmar Winkler (American Journal of Psychiatry: Lam et al., 2006).
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